Glück, Zufriedenheit und mehr Gelassenheit im Alltag wünscht sich eigentlich jeder, jedoch sorgen äußere Faktoren oft dafür, dass wir unweigerlich aus der Ruhe kommen. Dinge auf die wir keinen EInfluss haben - oder doch?
Besonders Topperformer in allen Bereichen wie Sport, Politik, Wirtschaft und in der Öffentlichkeit, wo der Stress und Leistungsdruck unglaublich hoch ist, befassen sich mit dieser antiken Philosophierichtung. Ryan Holiday konnte mit seinen Werken „the Daily Stoic“, „the Obstacle ist the Way“ und „Ego is the Enemy“ die Philosophie im Silicon Valley bei Entrepreneuren zu großer Beliebtheit verhelfen. Warum hat die Philosophie von der Stoa bis heute einen großen Einfluss auf uns? Wieso sollten wir von Stoikern lernen, um Lebensqualität und Leistungspotenziale auf ein neues Level zu heben? All das erfährst Du hier.
Im Biohacking geht es darum, dass Du stets versuchst nach dem Optimum zu streben und das Beste aus Dir und Deinem Alltag herauszuholen. Viel zu oft kommen dann äußere Faktoren auf uns zu, die uns oft das Laben schwer machen und aus der Bahn werfen. Häufig fühlen wir uns dann machtlos und ausgeliefert, doch haben wir wirklich jegliche Kontrolle verloren? Die Antwort ist: Nein!
In der stoischen Philosophie erkannte man schon früh, dass wir keinen Einfluss darauf haben, was gerade passiert aber sehr wohl einen Einfluss haben wie wir diese Dinge auffassen.
Wenn wir mit ausreichender Übung in der Lage sind, uns zu beherrschen und nicht mit negativen Emotionen auf Situationen zu reagieren sondern mit Logik und Verstand zu handeln, haben wir die Kontrolle und Freiheit über uns zurück.
Wenn Du im Alltag zufriedener, gelassener und fokussierter sein möchtest, könnte Dir die Philosophie der Stoa, auch Stoizismus genannt, dabei behilflich sein.
Stoa/Stoizismus: Was ist das eigentlich?
Vermutlich kennst Du den Ausdruck „stoisch“, der jedoch oft mit gleichgültig oder emotionslos übersetzt wird. Stoa ist jedoch viel mehr als das. Der Begriff Stoa beschreibt nämlich eine hellenistische Richtung der Philosophie, die etwa 300 vor Christus in Athen gegründet wurde und länger als 500 Jahre bestand.
Stoa (griechisch στοὰ ποικίλη, „bunte Vorhalle“) ist auf eine Säulenhalle zurückzuführen, die auf dem Marktplatz in Athen, der sogenannten Agora, stand. Hier hatte Zenon von Kition 300 vor Christus seine Tätigkeit als hellenistischer Philosoph aufgenommen. Zenon von Kition – Sohn eines reichen Kaufmannes, gilt als Begründer der Stoa. Als er zu seiner Zeit nach Athen kam, war er jedoch alles andere als reich. Er war völlig mittellos, da er sein Hab und Gut zuvor verloren hatte.
Elf Jahre lang studierte er zahlreiche philosophische Werke, suchte auf der Agora den Dialog mit anderen Menschen und gab seine persönlichen Ansichten in der Stoa an andere weiter. Sogenannte Stoiker – Vertreter der stoischen Lebensphilosophie – genießen bis heute großes Ansehen. Römische Stoiker, darunter Kaiser Marcus Aurelius und die beiden Philosophen Epiktet und Seneca, gehören zu den bekanntesten Vertretern der Stoa.
Darüber hinaus wussten viele weitere Philosophen und Politiker, allen voran Friedrich Nietzsche, René Decartes und Immanuel Kant, die stoische Lebensphilosophie für sich zu nutzen. Selbst in der kognitiven Verhaltenstherapie sind die Elemente der Stoa zu finden, wie sie beispielsweise von Albert Ellis praktiziert wurden und von den beiden Psychotherapeuten Aaron T. Beck und Donald Meichenbaum immer noch gelehrt werden.
Dadurch ist die Stoa niemals in Vergessenheit geraten. Ganz im Gegenteil: Auch heute, in einer oft stressigen, schnelllebigen Zeit, wird man sich der Wichtigkeit dieser uralten Lebensphilosophie wieder bewusst.
Aufblühen mit Stoa: Warum Stoiker anders sind
Stoiker streben nach Tugendhaftigkeit und permenenter Entwicklung. Doch wie schaffen es Stoiker eigentlich, täglich im Einklang mit sich selbst und ihrer Umwelt zu sein?
Neben dem Bestreben, tugendhaft und frei zu sein, verfolgen Stoiker ein wichtiges Ziel: Eudaimonía. Eudaimonía (εὐδαιμονία) bedeutet, ein konstant glückliches und zufriedenes Leben zu führen, dass keine Habgier, keinen Hass, keine Wut und keinen Materialismus kennt.
Denn ein Kerngedanke ist, dass äußere, materiellen Dinge keine inneren Konflikte lösen oder Lebensglück spenden können.
Wichtig sind dabei die Anpassung an den natürlichen Rhythmus des Universums (oikeiō sis), den wir zum Beispiel auch als zirkadianen Rhythmus oder Biorhythmus kennen.
Zu erkennen, dass die Realität eine eigene Dynamik hat und sich auf die Dinge zu konzentrieren, deren Ausgang beeinflussbar ist, zeugt von Klarheit. Gleichzeitig solltest du dich von den Dingen abwenden, deren Ausgang du zu diesem Zeitpunkt nicht beeinflussen kannst. Je klarer und fokussierter du bist, desto besser kannst du in verschiedensten Situationen performen.
Für Stoiker kommt ein weiteres Grundprinzip namens Ataraxie hinzu. Mit Ataraxie ist das Idealbild der Seelenruhe gemeint. Es beschreibt einen Zustand der Gelassenheit, um Problemen und Schicksalsschlägen gelassener und ruhiger zu begegnen, anstatt traurig, wütend, gestresst oder ärgerlich zu sein oder gar in Ohnmacht zu fallen.
Natürlich gibt es immer Momente die einen besonders treffen können. Man kann nicht Emotionen einfach ausschalten, aber mit Übung kannst Du die Emotionen benennen und diese in Deine Denkprozesse mit einbeziehen. So vermeidest Du oft emotionale Schlussfolgerungen, welche nicht immer der Logik folgen.
Wie erreichen Stoiker ihr Ziel?
Im Allgemeinen streben Stoiker danach, tugendhaft und frei zu sein. Sie wollen sich – wie Biohacker auch – ständig weiterentwickeln, wobei sie in ihrem Leben grundsätzlich vier Grundsätze integrieren, welche sie täglich üben. Hierzu gehören:
1. Weisheit
Stoiker glauben, dass die Wahrnehmung eine wichtige Fähigkeit ist, welche erlernt werden muss. Oft ziehen wir voreilige Schlüsse oder lassen unsere Emotionen das Handeln bestimmen. Aus diesem Grund versuchen Stoiker den täglichen Problemen und Hürden des Alltages mit Sachlichkeit, Ruhe und Logik zu begegnen, als bei jeder Kleinigkeit mit Stress, Wut, Angst oder Unbehagen zu reagieren.
Marcus Aurelius, einstiger römischer Kaiser und bedeutender Vertreter der Stoa, hat einmal gesagt: „Sehr wenig ist nötig für ein glückliches Leben; Es ist alles in Deiner Art zu denken.“
2. Courage
Ein weiteres Grundprinzip damaliger und heute lebender Stoiker ist Courage. Im Deutschen wird das Wort Courage mit „Mut, Beherztheit und Unerschrockenheit“ übersetzt. Stoiker interpretieren Courage ähnlich. Sie wollen nämlich den Mut im Alltag aufbringen, klar und besonnen zu handeln und nach Deinen Überzeugungen zu handeln.
Lass Dich dabei von alternativen Perspektiven überzeugen wenn sie logisch sind und habe keine Angst davor Deine eigene Meinung zu sagen.
3. Temperament
Stoiker streben nach Freiheit. Emotionen können diese Freiheit allerdings beeinträchtigen nach ihrer Philosophie. Denn wer emotional reagiert, denkt oft nicht logisch, was die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers erhöht. Es ist absolut wichtig zu unterscheiden, wo der Mensch eine Kontrolle über den äußeren Reiz hat oder nicht. Stoiker praktizieren daher die Kontrolle ihrer Emotionen. Vor allem, wenn sie wütend sind. Stoiker haben ihre innere Mitte gefunden und können daraus stets ruhig und besonnen reagieren, ohne dabei überschwänglich oder temperamentvoll zu sein.
Wenn Du merkst, dass Du über etwas wütend bist, solltest Du wie ein Stoiker kurz innehalten und Dich an Marcus Aurelius erinnern, der einmal gesagt hat: “You always own the option of having no opinion. There is never any need to get worked up or to trouble your soul about things you can't control. These things are not asking to be judged by you. Leave them alone.“
4. Gerechtigkeit
Stoiker legen großen Wert auf Gerechtigkeit, was natürlich nicht heißt, sich in Selbstjustiz zu üben. Ganz im Gegenteil: Stoiker behandeln ihr Gegenüber immer so, wie sie auch gerne selbst behandelt werden würden. Dabei fügen sie niemandem etwas Unrechtes zu, auch wenn sie sich selbst unfair behandelt fühlen.
“Die beste Rache ist es, nicht wie dein Gegner zu sein.” - Marcus Aurelius.
Stoa für Biohacker: Wie Du ein Stoiker werden kannst
Zugegeben: Ein Stoiker zu werden bedeutet harte Arbeit und Ausdauervermögen. Dass harte Arbeit und das Bestreben, immer fokussiert zu sein und täglich das Beste zu geben, sich auszahlen können, weißt Du als Biohacker nur zu gut. Doch was musst Du tun, um gelassener und ruhiger zu werden und die Prinzipien eines echten Stoikers in Deinen Alltag zu integrieren?
Stoiker und Biohacker haben eines gemein: Sie verfolgen Selbstbestimmung. Zunächst einmal musst Du für Dich entscheiden, was Du in Deinem Leben verändern kannst, willst und ob Du dafür bereit bist. Die Veränderung bezieht sich dabei immer auf die Gegenwart. Zukünftige Ereignisse sind davon unberührt, weil Du sie noch nicht beeinflussen kannst. Denk aber daran, dass Du schon heute erste Schritte unternehmen kannst, welche Dich in Zukunft an Dein Ziel bringen werden.
Zum Beispiel kannst Du schon heute zum Sport gehen, um Dein Zielgewicht in der Zukunft zu erreichen.
Ebenfalls wichtig für Deine Lebensqualität ist Dein Einfluss auf Dein Seelenleben – das Gefühl, dass Du in diesem Moment in Deinem Inneren präsent bist. Dieses Gefühl kannst Du durchaus beeinflussen.
„Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben.“ - Epiktet
Denk daran: Das Leben ist vergänglich. Anstatt Dich mit Dingen zu beschäftigen, die Du sowieso nicht beeinflussen oder ändern kannst, die Dir zudem jede Menge Zeit und Energie rauben, solltest Du Dir stets einen neuen Fokus setzen. Ob etwas gut oder schlecht ist, ist immer eine Sache der Perspektive, die Du als Stoiker (und als Biohacker natürlich auch) des Öfteren wechseln solltest. Daher versuchen sich Stoiker daran immer die guten und schlechten Auswirkungen jeder Situation bewusst wahrzunehmen.
Welche Übungen Du als Biohacker von Stoikern lernen kannst, verraten wir Dir jetzt.
Wie übt ein Stoiker nun die Tugendhaftigkeit genau?
1. Faste und konzentriere Dich auf das Wesentliche
In seinem achtzehnten Brief gab der römische Philosoph Seneca dem römischen Dichter Lucilius einen Rat: „Schiebe ein paar Tage ein, an denen Du Dich mit kärglichster und einfachster Kost, mit grober und rauer Kleidung begnügen und zu Dir sprechen magst: Ist es das, wovor man sich fürchtete?“
Das beste Beispiel, um den Vorschlag von Seneca in die Tat umzusetzen, ist das Fasten. Damit ist allerdings nicht nur der freiwillige Verzicht von Nahrung gemeint. Fasten kann auch bedeuten, ganz bewusst auf das Smartphone und Social Media zu verzichten und besonders sparsam zu leben. Wer häufiger fastet, lernt die Dinge des täglichen Lebens mehr zu schätzen. Hierzu zählen nicht nur das Essen, Handy und Auto – auch sind Wasser, Heizung und Strom für uns selbstverständlich.
Je öfter Du fastest, desto mehr wird auch die Angst vor bestimmten Dingen schwinden, weil Du mit unbekannten und noch nie da gewesenen Situationen besser umgehen kannst. Diese Herangehensweise wird übrigens sehr gerne in der Psychotherapie angewandt, um Angsterkrankungen erfolgreich zu behandeln.
2. Trainiere Deine Wahrnehmung
“Ich habe mich stets gewundert, warum jeder sich selbst am meisten liebt, aber seines Nachbarn Meinung über sich höher schätzt als seine eigene.“ Marcus Aurelius
Fakt ist: Uns gehen täglich unzählige Gedanken durch den Kopf, denen wir meistens viel zu viel Aufmerksamkeit widmen. Meistens übersehen wir dabei, dass wir bestimmte Situationen auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten können. Womöglich haben Stoiker in der Vergangenheit – wie einst Zenon von Kition – die Agora aufgesucht, um sich mit den Gedanken anderer Menschen auseinanderzusetzen und diese zu studieren.
Im Gegensatz zu damals haben wir heute so viele Möglichkeiten, die wir mit Hilfe moderner Technik voll ausschöpfen können. Nicht nur das Fernsehen bietet eine große Auswahl – auch können wir als moderne Stoiker das Internet nutzen, um für uns wichtige Informationen zu sammeln und zu versuchen unterschiedliche Perspektiven einzunehmen.
Wichtig ist dabei, sich seiner Gedanken, Gefühle und Meinungen bewusst zu werden. Nur so können wir uns von ihnen loslösen und logische Schlussfolgerungen ziehen.
3. Erinnere Dich daran, dass alles vergänglich ist
“Alexander der Große und seine Maultiertreiber sind beide an denselben Ort gegangen.“ - Marcus Aurelius
Zu erkennen, dass unser Leben vergänglich ist, hilft uns dabei, Prioritäten zu setzen und sich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist. Dass die Jahre vergehen und Du dabei immer älter wirst, macht Dir vielleicht Angst, jedoch können diese Ängste Dir dabei helfen, fokussiert und entschlossen zu sein, und das Leben in vollen Zügen zu genießen.
“Memento Mori – denke daran, dass du sterben wirst!“, ist ein Zitat aus dem Mittelalter, das Stoiker womöglich schon viel früher verinnerlicht haben. Indem wir lernen, Ängste aufzulösen, Sorgen und Befürchtungen gedanklich vorbeiziehen zu lassen und im Alltag viel ruhiger, gelassener und fokussierter zu sein, verschwenden wir keine Zeit mehr mit Dingen, die nur wenig zu einem glücklichen Leben beitragen können. Denn: Ärger, Wut und Stress sind ebenso unnütz wie verbale oder handgreifliche Konfrontationen mit anderen Menschen, Schlechte, stressvolle Zeiten sind ebenso vergänglich.
Meditation, Yoga, Anti-Stress-Techniken und natürliche Pflanzenextrakte und Mikronährstoffe können Dich zusätzlich auf Deinem Weg unterstützen.
Fazit
Stoiker sind wie Biohacker Menschen, die sich auf das Wesentliche konzentrieren, anstatt sich mit unnützen Dingen zu beschäftigen. Dies bringt einerseits mehr Ruhe und Gelassenheit im Alltag und hilft Dir Deinen Fokus zu schärfen, um unter stressigen und schweren Momenten Dein optimales Leistungspotenzial auszuschöpfen, indem Du Dich nicht von nutzlosen Tätigkeiten ermüden lässt. Stoiker sehen die Welt realistisch und versuchen sich von emotionen, die diese Wahrnehmung verfälschen können loszulösen. Indem wir uns jeden Tag vor Augen halten, dass unser Leben vergänglich ist, können wir wichtige Dinge priorisieren und uns auch darauf konzentrieren, das Beste aus uns und unserem Leben in diesen wichtigen Bereichen unseres Lebens herausholen.